Besuch der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

Besuch der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

Warum sind wir in die Gedenkstätte Flossenbürg gefahren? In Nossen/Zella gab es 1943/44 eine Außenstelle dieses Konzentrationslagers, später war dort die alte Möbelfabrik und Reifen Bahlau. Und heute? Die Natur hat sich einen Teil der Möbelfabrik zurückgeholt, heißt die alten Gebäude sind verfallen und zugewuchert. Reifen Bahlau geht seinen Geschäften nach. Was ist geblieben von dieser Außenstelle? Nichts, nicht einmal der kleinste Hinweis auf dieses Stück Geschichte! Aus diesem Grund möchten wir an diesem Ort einen Gedenkstein errichten, damit dieser Ort des Grauens nicht in Vergessenheit gerät und ins Bewusstsein rufen, wozu Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung führen können.

Unser Besuch in der Gedenkstätte war durch ein Programm, welches im Vorfeld erstellt wurde, geprägt. So sahen wir uns als Erstes einige Fotos und Zeichnungen an. Zum einen waren Flugzeugteile, Marken, Zahlen, Personen, aber auch das Innere einer Baracke abgebildet. Im Einzelnen also nicht nur Abbildungen, bei denen man sofort darauf schließt, dass diese im Zusammenhang mit einem Konzentrationslager stehen. Die Seminarräume der Gedenkstätte sowie ein Café sind jetzt im Gebäude des ehemaligen „SS-Casinos“ untergebracht.

Unser Programm führte uns weiter auf dem Weg durch die „SS-Unterkünfte“, heute durch die Andeutung von Grundmauern zu erahnen und die Kommandantur, eines der wenigen Gebäude, die noch erhalten sind. Durch die Säulen des alten „Lagertor“ kamen wir auf den „Appellplatz“, auf dem die Häftlinge in Empfang genommen wurden, sich ihrer ganzen Habe entledigen mussten und auf dem tagtäglich, am Morgen und am Abend, die Zählung der Häftlinge stattfand. Der Appellplatz ist durch die Gebäude der ehemaligen Häftlingsküche, heute Ausstellungsraum und die Wäscherei, ebenfalls Ausstellungsräume, eingefasst.

Die Kellerräume der alten Wäscherei sind noch zum Großteil so erhalten wie damals. In den einzelnen Räumen waren Friseur, Umkleideraum, Desinfektionsanlage, Auskleideraum, Baderaum, Waschmittellager, Kesselhaus und Boilerraum untergebracht. Der Weg in den Keller war unangenehm, unsere Programmbegleiterin erzählte sehr anschaulich wie es den Häftlingen damals ergangen sein muss. Sie mussten sich ihrer Kleidung und persönlicher Dinge entledigen und standen stundenlang nackt da und warteten darauf das sie durch andere Häftlinge sämtliche Körperbehaarung entfernt bekamen. Durch Kleinigkeiten, wie Wäschesackmarken mit einer Nummer wurde der Anschein erweckt, dass die Häftlinge ihre persönlichen Sachen zu einem späteren Zeitpunkt zurückbekommen würden.

Besuch der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

Auch nach außen wurde der Eindruck vermittelt, dass es den Häftlingen, den Umständen entsprechend, gut geht. In der Presse wurden Fotos abgebildet auf denen lächelnde Häftlinge mit Gefängniskleidung und festem Schuhwerk zu sehen waren, was nur höchstselten der Realität entsprach. Ebenso waren Bilder aus dem Steinbruch abgebildet, welche entsprechendes Werkzeug zeigten. Nur mussten die Häftlinge größtenteils mit ihren bloßen Händen im Steinbruch arbeiten.

In der Ausstellung im Erdgeschoss der Wäscherei, im ehemaligen Kesselhaus, hat sich die Gedenkstätte zur Aufgabe gemacht den Gefangenen, die zu NS-Zeiten nur Nummern waren, Namen und Gesicht zu geben, so sind sowohl alle Häftlingsgruppen aufgeführt als auch einzelne Häftlinge mit ihrem persönlichen Schicksal. Von der Decke hängen große Fotos auf denen einige Insassen vor ihrem Lageraufenthalt und Überlebende nach ihrer Haft zu sehen sind.

Unser weiterer Weg durch die Gedenkstätte führte in den hinteren Teil, vorbei an einer Kapelle, die 1947 aus den Steinen abgerissener Wachtürme errichtet wurde, in das „Tal des Todes“. Hier sind noch die Gebäude der Exekutionsstätte und die „Aschepyramide“ erhalten. Auf dem „Platz der Nationen“ sind Gedenktafeln der Länder aufgestellt, aus deren Bevölkerung Inhaftierte im KZ Flossenbürg gefangen waren. Vom Appellplatz aus ist das Tal nicht zu sehen, durch einen Park, in dem heute einige Grabsteine stehen, ist dieser Teil des ehemaligen Konzentrationslagers von den anderen Teilen abgeschirmt. Der Grund dafür war die Nähe zur Bevölkerung und das nicht auffallen sollte was im Lager wirklich passierte. Nach der Zeit des Nationalsozialismus wurde viel dafür getan, um das Gelände und die Gebäude so zu gestalten, dass nichts mehr auf das Treiben der SS hinweist. So wurden auf dem Appellplatz Industriehallen errichtet, die erst vor einigen Jahren abgerissen wurden und nun der Gedenkstätte wieder zur Verfügung stehen. Des Weiteren wurde in den 1950er Jahren ein Art Friedhof errichtet. Die Häuser der SS-Siedlung, am Rande des Konzentrationslagers, wurden an Privatpersonen verkauft und sind mittlerweile Wohnhäuser.

Besuch der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

Die Exekutionsstätte ist, im Vergleich zu anderen Konzentrationslagern, relativ klein gewesen und doch war alles vorhanden, um die menschlichen Körper zu vernichten. Sowohl das Krematorium, mit dem Verbrennungsofen, als auch die Aschepyramide und die Rampe sind heute noch erhalten.

Besuch der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

Nach dem Rundgang und einer kleinen Pause sahen wir uns einen Film an mit einigen kurzen Biografien von Häftlingen, die den Aufenthalt im KZ Flossenbürg überlebt haben und zum Teil sehr detailliert über ihre Gefangenschaft sprachen. Der ehemalige Boilerraum ist dem Film – Vorführraum gewischen.

Im Anschluss sind wir in die Ausstellungsräume der alten Wäscherei gegangen, ausgestellt sind dort Objekte, Fotos, Filme, Kunstwerke und Dokumente zur Geschichte des Lagers.

Um einen Einblick in die Arbeit im Steinbruch zu bekommen, haben wir den Weg dahin angetreten. Ein kurzer Fußmarsch über die Straße und den Waldweg entlang und da sahen wir auch schon die ersten Überbleibsel, ein paar eingefallene Mauern eines Gebäudes, welches den Eingang zum Steinbruch darstellte. Durch das hohe Granitvorkommen wurde Flossenbürg als Ort für das Konzentrationslager gewählt. Durch „Hitlers größenwahnsinnige Bauprojekte“ wurde jede Menge Granit benötigt und so wurden die Häftlinge zu Zwangsarbeitern. Unter widrigsten Umständen mussten sie im Steinbruch Erde abtragen, Granitblöcke bearbeiten, Loren schieben und Steine schleppen. Hunderte der Häftlinge sind durch Unfälle, Kälte, harte Arbeit, lange Arbeitszeiten und unzureichende Ernährung zu Tode gekommen. Aufgrund der unzähligen Toten wurde mit der Zeit ein lagereigenes Krematorium und eine „Aschepyramide“ aufgebaut, so ist man sicher gegangen, dass die Bevölkerung der kleinen Ortschaft Flossenbürg nicht viel von den Machenschaften im KZ mitbekam.

Ein kleiner Teil der Steine wurde dazu genutzt, um auf einem dem Lager abgewandten Südhang feste Häuser für die Kommandanten und deren Familien aufzubauen. Noch heute stehen diese Wohnhäuser, die auch als solche genutzt werden und thronen über dem Ort Flossenbürg.

Besuch der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

Ursprünglich war das KZ Flossenbürg als Haftanstalt für „Asoziale“ und „Kriminelle“ vorgesehen. Aufgrund von weiteren Bauten in größeren Städten wurde mehr und mehr Granit benötigt. So gelangen viele Häftlinge aus den Kategorien „Polizeiliche Sicherungsverwahrung“, „Berufsverbrecher“ und „Vorbeugehäftling“, aus anderen Konzentrationslagern nach Flossenbürg, in den ersten Jahren vorrangig aus Dachau.

In fast 90 Außenlagern des Konzentrationslagers Flossenbürg als auch im KZ selbst wurden, von Mai 1938 bis April 1945, etwa 100.000 Männer und Frauen (ca. 84.000 Männer und 16.000 Frauen) aus 30, von „Nazideutschland“, besetzten Ländern inhaftiert. Circa 30.000 Menschen kamen hier, auf unterschiedliche Art und Weise, ums Leben. Die SS war an mindestens 2.500 „systematischen Tötungen“ im KZ Flossenbürg beteiligt.

Außenlager Nossen/Zella

Mitte April 1944 wurden die Produktionsstätten der Raketen-, Flugzeug- und Rüstungsindustrie in bombensichere Gebiete verlegt. Sachsen war attraktiv, da die industrielle Vielfalt nicht gegeben war und so die Alliierten nur wenig Luftangriffe starteten.

Das Konzentrationslager Flossenbürg hatte Außenlager in Bayern, Thüringen, Sachsen und in der Tschechischen Republik – insgesamt an die 90. Auch das Außenlager (AL) Nossen-Zella unterstand dem KZ Flossenbürg. Am 06.11.1944 wurde es in der alten „Klostermühle“ eröffnet. Schon am 29.10.1944 kam der erste Häftlingstransport mit 15 Mann aus Leitmeritz. Bis zum 15.04.1945 waren insgesamt ungefähr 650 Gefangene in diesem Außenlager untergebracht. Die Aufsicht über dieses AL hatte der SS-Führungsstab B5 aus Leitmeritz. In Nossen wurde das AL errichtet, da die Nowa Gesellschaft die Klostermühle als Produktionsstätte angemietet hatte. Durch einen Antrag der Nowa, dessen Mitbegründer H. Woelke, in der freiwilligen SS tätig war, war es möglich dieses AL aufzubauen. Für die Produktion von Waffenhülsen wurden Häftlinge angefordert. So wurden aus den Häftlingen Zwangsarbeiter für die Nowa Gesellschaft und die Ebro Werke in Roßwein.

Die ersten Häftlinge kamen im Dunkeln, am 06.11.1944, auf dem Entladegleis des Güterbahnhofs in Nossen an. Durch das Klappern und Scharren der Fußschellen entlang des Bahnhofs über die Eisenbahnbrücke bis zur Klostermühle ist auch den Nossener Bürgern aufgefallen das Häftlinge angekommen sind. Die ersten Quartiere für die Häftlinge waren in den Kellerräumen der Mühle untergebracht. Da schon der nächste Häftlingstransport unterwegs war, mussten diese Häftlinge Baracken und Finnzelte vor der Klostermühle errichten. Nachdem die Maschinen an den Strom angeschlossen waren, wurden auch die Baracken und Zelte elektrifiziert und ein elektrischer Drahtzaun um die Unterkünfte errichtet.

Die Lebensbedingungen waren ungenügend. Durch die anhaltende Nässe in den Kellerräumen und den Zelten hatten viele der Häftlinge enorme gesundheitliche Schwierigkeiten. Erschwerend kamen noch unzureichende Ernährung und Bekleidung, lange Arbeitszeiten, versagte ärztliche Hilfe und die brutale Behandlung der Kapos (Funktionshäftlinge) hinzu. Nur die Funktionshäftlinge hatten einen trockenen Lagerplatz in der Küche der Klostermühle. Die SS-Wachen hatten ihre Unterkunft in dem Pförtnerhäuschen, am Eingang der Mühle. Die Lagerleitung war in der Villa der Mühle, im hinteren Bereich des Geländes, untergebracht.

Auf Anraten des Lagerarztes aus Flossenbürg und aufgrund weiterer Häftlingstransporte wurden neue Baracken errichtet. Im Pitschebachtal, durch die Lage abgeschieden von der Bevölkerung, wurden 5 neue Holzbaracken sowie eine Verwaltungsbaracke aus Stein gebaut. Gesichert wurde dieser, im Februar 1945 fertig gewordene, Trakt durch Zementsäulen, elektrischen Stacheldraht und 4 Wachtürme.

Die im AL Nossen Inhaftierten kamen aus Leitmeritz, Flossenbürg und Sachsenhausen und wurden wegen ihrer Fähigkeiten als Dreher, Fräser oder Mechaniker für dieses Außenlager ausgewählt. Aus den unvollständigen Unterlagen zum AL Nossen geht hervor, dass die Häftlinge im Alter von 16 bis 65 Jahre alt waren und aus 16 verschiedenen Ländern stammen. Außerdem geht aus den Unterlagen hervor das die SS-Wachmannschaft von außerhalb und nicht aus Nossen kam.

Ab Mitte November 1944 wurden arbeitsunfähige Häftlinge nach einer Untersuchung durch einen Nossener Arzt nach Flossenbürg überstellt und dort höchstwahrscheinlich liquidert. Die 106 dokumentierten Toten aus dem AL wurden auf dem Alten Friedhof in Nossen begraben. Der damalige Pfarrer bestand auf die Personalien der Toten und so wurden diese mit Namen, Geburtsdatum/-ort sowie Todestag und angeblicher Todesursache ins kirchliche Bestattungsbuch eingetragen.

Die wahren Hintergründe des Außenlagers waren der Bevölkerung von Nossen nicht bekannt. Die SS-Wachen achteten darauf, dass der Kontakt zur Bevölkerung so gering wie möglich gehalten wurde. Den Nossenern wurde vermittelt, dass die Gefangenen zu Recht inhaftiert waren. Diejenigen, die mehr aus dem Lager mitbekamen – Elektriker, Vorarbeiter in Fabriken – wurden zum Schweigen verpflichtet.

Anfang April 1945 rückten die Alliierten sowohl von Ost als auch von West weiter vor. In Riesa-Lommatzsch trafen sie Ende April aufeinander. Ab diesem Zeitpunkt wurden immer mehr Außenlager und Konzentrationslager aufgelöst, um die Verbrechen noch vor Eintreffen der Alliierten zu vertuschen. Nach einem Befehl aus Flossenbürg wurde am 15.04.1945 das Außenlager in Nossen evakuiert. Kranke und marschunfähige Häftlinge wurden mit Güterwaggons über Freiberg nach Leitmeritz transportiert. Ungefähr 300 Häftlinge traten den Fußmarsch über Rehefeld nach Leitmeritz an. Im Zellwald wurde die Gruppe von einem Tieffliegerangriff überrascht, wodurch einigen Häftlingen wahrscheinlich die Flucht gelang. Die Route des Todesmarsches aus Nossen kann nicht komplett nachgewiesen werden. Aus alten Aufzeichnungen geht hervor das die Route über Conradsdorf ging, es gibt aber keine Belege oder Zeugenaussagen, die das bestätigen konnten. Bis 08.05.1945 blieben die Häftlinge in Leitmeritz. Das Herannahen der sowjetischen Truppen veranlasste die SS-Führung in Leitmeritz dazu den Häftlingen ihre Papiere auszuhändigen und sie zu entlassen, damit sie selbst fliehen konnten.

Angenommene Route der Häftlinge aus dem Außenlager Nossen: Richtung Siebenlehn (Scheidemühle) durch Zellwald – Bieberstein – Burkersdorf – Hohentanne – evtl. Rothenfurth – Tuttendorf – Conradsdorf – Rehefeld-Zaunhaus – ca. 20.04.1945 Grenzüberquerung bei Zinnwald – Theresienstadt – Leitmeritz

In Nossen verwischten Parteifunktionäre die letzten Spuren des Außenlagers und Nossener Volkssturmmänner übernahmen die Aufräumarbeiten. Die Holzbaracken wurden abgebrannt und die Kommandanturbaracke zum Teil ausgebrannt. Mehrere Häftlingszüge machten, auf ihrem Weg in den Osten, Halt im geräumten Außenlager Nossen und nutzten es als Übernachtungsmöglichkeit. Die zurückgelassenen Leichen wurden auf dem Nossener Friedhof in einem Massengrab, ohne Namen und Nationalität, beigesetzt.

Am 06.05.1945 kamen sowjetische Truppen von Lommatzsch über Rhäsa nach Nossen, wo Teile des Volkssturms und kampfmotivierte Jugendliche sich mit ihnen einen Kampf lieferten. Die restliche Bevölkerung floh. Dabei wurden viele Gebäude beschädigt und 18 Personen kamen ums Leben. Am Nachmittag wurde der Kampf beendet.

Die Barackengebäude des Außenlagers blieben vorerst ungenutzt. Die Kommandanturbaracke wurde zu Ställen und seit 1980 nutzt Reifendienst Bahlau dies als seinen Firmensitz. Das Gelände auf dem die Häftlingsbaracken standen wurde abgetragen und ein Garagenkomplex aufgebaut. In die Klostermühle zog 1989 das VEB Möbelkombinat Hellerau, seitdem dies aber aufgelöst wurde, steht die Klostermühle leer, wuchert zu und fällt ein.

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